2.1. Wirtschaftliche Zukunft 2.2. Politik und Privatleben 2.2.1. Staatsaufbau 2.2.2. Situation von Ausländern und Flüchtlingen 2.2.3. Zukunft des Landschaftsbildes
Ich denke, daß in Hong Kong alles beim Alten bleiben wird.
Dafür spricht die wirtschaftlich Vernetzung Chinas mit
Hong Kong. China ist in den letzten Jahren zum größten
Investor in der Kolonie geworden. Andererseits haben viele
Ausländer in die Sonderwirtschaftszonen investiert. Große
Anteile der Investition in China laufen über Hong Kong.
Wenn China also nun die im Grundgesetz von 1990 gemachten
Versprechungen nicht einhält, werden viele Investoren das
Vertrauen in den Standort Hong Kong verlieren und sich
zurückziehen. Mit dem Untergang des Wirtschaftsstandorts
Hong Kong würden nun China investierte Milliarden US$
verlieren.
Der Punkt, daß China noch nie einen völkerrechtlichen Vertrag gebrochen hat ist sehr wichtig. China kann es sich nicht leisten dies zu tun, da so auch ausländische Investoren in den übrigen Wirtschaftssonderzonen ihr Kapital abziehen würden. Im Gegensatz zum 18. Jahrhundert ist China nun nicht mehr wirtschaftlich unabhängig. Es ist auf ausländisches Know-how und Kapital angewiesen. Um diese Bedürfnisse befriedigen zu können, braucht China zwangsläufig Kontaktstellen zu den Investoren, Da sie nur aus kapitalistischen und demokratischen Staatssystemen kommen, also einen völlig anderen Lebensstil pflegen, ist es für China am günstigsten, den Status Hong Kongs aufrecht zu erhalten. Ähnlich wie im Kanton System kann man so in Kontakt zu den Investoren treten und gleichzeitig die eigene Bevölkerung vor fremden Einflüssen abschirmen. Die gleichen Beweggründe führten zur Bildung der Wirtschaftssonderzonen. Zur Stärkung der Wirtschaft war ausländisches Kapital nötig. Also entschloß man sich, in einigen Regionen ein kapitalistisches System zu erlauben, um nicht den Kommunismus auf höchster Ebene aufgeben zu müssen. Hier hat China bewiesen, daß es Vereinbarungen einhalten kann. So wurde das garantierte Recht auf Privatbesitz in den Wirtwschaftssonderzonen nie angetastet.
Die Möglichkeit, daß Hong Kong ohnehin schon dem Untergang geweiht sei und daß sich das Wirtschaftswachstum in die Sonderzonen verlagern werde, halte ich für unwahrscheinlich. Ich sehe wie Oskar Weggel Hong Kong als Standort, der auch in noch Zukunft von dem wirtschaftlichen Aufschwung Chinas profitieren wird. Die Wirtschaftssonderzonen haben keinen so hohen Bildungsstandard wie die Kolonie und die gesamte Infrastruktur ist nicht so weit ausgebaut. Hong Kong wird in Zukunft als Kontrollzentrale für ausländische Wirtschaftsunternehmen dienen. Von dort aus lassen sich die Unternehmungen in ganz China kontrollieren. Es ist ein günstiger Standort, da er die benötigte Infrastruktur bietet und außerdem dort ein freier Lebensstil garantiert ist. Man muß sich nicht erst mit vielen chinesischen Verhaltensregeln auseinandersetzen. Ein Anpassung ist nur bei Geschäftskontakten nötig nicht jedoch im Privatbereich. Dies ist auch ein weiteres Indiz dafür, daß sich die Wirtschaftsstruktur der Kolonie weiter hin zum dritten Sektor entwickelt. Als Produktionsstandort ist Hong Kong einfach zu kostspielig. Da jedoch hier die größte Sicherheit im chinesischen Wirtschaftsraum gegeben ist, wird die Industrie in anderen Standorten wie oben erwähnt kontrolliert werden.
Die langfristigen Investitionen Chinas in den neuen Flughafen Chek Lap Kok, die Erweiterung des Containerterminals sowie in den Bau des Tunnels zwischen Kowloon und Victoria zweigen auch, daß China auf die Stabilität Hong Kongs in Zukunft setzt und die Kolonie noch nicht abgeschrieben hat. Die Abwanderung verschiedener Wirtschaftsunternehmen sind kein Indiz für den Untergang Hong Kongs, sondern nur ein Zeichen absoluter Absicherung. Es war für die Kolonie ein großer Schock als das Traditionsunternehmen Hong Kongs, das Handelshaus "Jardine & Matheson", die offizielle Verlegung des Unternehmens nach Bermuda bekannt gab. Bis auf den offiziellen Firmensitz verbleibt jedoch der gesamte Firmenapparat in Hong Kong. Betrachtet man die Gruppe derer, die die Kolonie verlassen, genauer so stellt man fest, daß nur rund 3.000 der durchschnittlich 60.000 Personen pro Jahr als Unternehmer zu bezeichnen sind. Die Kolonie wird also scheinbar überwiegend von Personen verlassen zu werden, die schlechte Erfahrungen mit der chinesischen Regierung gemacht haben oder diese befürchten.
Auch für den Tourismus wird Hong Kong interessant bleiben. Anders als beim Hauptkonkurrenten Shanghai wurden weniger Fehler bei der Stadtplanung gemacht. Die Kronkolonie weist ein erheblich homogeneres, modernes Stadtbild auf, während in Shanhai wesentlich mehr Slums existieren. Auch sind mehr Parks vorhanden.
Es ist aus wirtschaftlichen Gründen anzunehmen, daß der
politische Aufbau Xiangangs dem Konzept der Joint Declaration
auch in der Realität entsprechen wird. Für die Hong Kong -
Chinesen bewirkt die Übergabe deshalb in diesem Bereich keine
gravierenden Veränderungen, denn das System der
Sonderverwaltungszone weist viele Parallelen zur
Kolonialregierung auf. Wie bisher als Kronkolonie Hong Kong
bleibt das Gebiet auch in Zukunft direkt einer Zentralregierung
unterstellt, die wie heute Großbritannien den Regierungschef,
das Pendant zum Gouverneur, einsetzt. Im Parlament wird es
weiterhin nur eine einzige Kammer geben, weil das Territorium
aufgrund seiner geringen Fläche und dichten Bebauung den
Charakter eines Stadtstaates hat und eine Regionalvertretung der
einzelnen Gebiete daher nicht sinnvoll ist. Der Umfang der
Möglichkeiten zur politischen Partizipation unter der Herrschaft
der Volksrepublik wird in der Joint Declaration nicht genauer
erläutert. Es ist aber davon auszugehen, daß er wie unter
britischer Regierung allenfalls symbolischer Natur sein wird.
Denn Margaret Thatchers Plan Volksbegehren einzuführen, wurde
wegen der sicheren Ablehnung durch die Regierung in Beijing
schnell wieder verworfen. Außerdem steht bereits heute fest,
daß alle Gesetzesbeschlüsse der Sonderverwaltungszone von der
Zentralregierung bestätigt werden müssen. Also werden die
Bewohner Hong Kongs auch nach Juli 1997 de facto politisch
machtlos bleiben. Ohnehin herrscht ein sehr distanziertes
Verhältnis zum Staat vor, man ist seit Jahrhunderten an
Nichtbeteiligung gewohnt. Aus diesen Gründen und weil sich die
finanzielle Situation der Mehrheit nicht verschlechtert, ist zu
erwarten, daß sich die meisten Hong Kong - Chinesen auch
mit den neuen Diktatoren arrangieren werden.
2.2.2. Situation von Ausländern und
Flüchtlingen
Wesentlich schwerwiegender wird der Regierungswechsel für die 2%
der Bevölkerung ohne chinesische Vorfahren sein. Unter
britischer Herrschaft erhält jeder Bewohner nach sieben Jahren
Aufenthalt in der Kolonie das Wahlrecht. Die Staatszugehörigkeit
der Volksrepublik wird dagegen über die Abstammung definiert. Um
die Anerkennung als Bürger zu erreichen, muß mindestens ein
chinesisches Elternteil nachgewiesen werden können. Die in
Hong Kong geborenen Inder, die weder durch die Republik
Indien noch von Großbritannien anerkannt werden, sind darum ab
dem Zeitpunkt der Übergabe staatenlos.
Für künftige Neueinwanderer wird die Situation durch den Abzug der Briten nicht einfacher. Auch nach der Vereinigung mit der Volksrepublik wird man die britischen Grenzanlagen nicht demontieren. Da Hong Kong stark übervölkert ist und es bereits ein Überangebot an Arbeitskräften gibt, werden mit Sicherheit nur noch Investorenvisa erteilt. Schon heute gibt es im Land mit den "zwei Systemen" innerchinesische Grenzen, und Flüchtlinge werden an den Sonderwirtschaftszonen abgewiesen. Zum einen soll auf diese Weise eine Übervölkerung dieser Gebiete verhindert werden, zum anderen will die Zentralregierung so den Einfluß des Westens auf einen Teil des Staates beschränken.
Wegen den geographischen Gegebenheiten der langen Küstenlinie und den guten Versteckmöglichkeiten auf den über 200 kleinen, oft unbewohnten Inseln Hong Kongs werden weiterhin zahlreiche illegale Flüchtlinge die Grenzen überschreiten ohne gefaßt zu werden. Obwohl eine Verbesserung der Grenzkontrollen technisch kaum noch möglich ist, könnte die Zahl der Einwanderer dennoch wegen der Übergabe an China zukünftig zurückgehen. Erstens ist ab diesem Zeitpunkt eine Flucht nach Hong Kong für politisch verfolgte Chinesen sinnlos, und zweitens wird der Lebensstandard für besitzlose Neuankömmlinge durch bereits angekündigte Kürzungen im Sozialbereich sinken. Denn in ihren Sonderwirtschaftszonen achtet die chinesische Regierung noch konsequenter auf die Durchsetzung der Gesetze des freien Marktes, als es die Briten bislang in Hong Kong tun. Durch sich abzeichnende gesellschaftliche Veränderungen, die unabhängig von der politischen Macht verlaufen, wird es für diese Personen auch immer weniger Unterstützung durch Selbsthilfegruppen geben. Dadurch ergibt sich Konfliktstoff für mögliche Unruhen. Diese wird die Regierung aber weniger gewaltsam unterdrücken als die Demonstration auf dem Tianmen-Platz. Das Massaker hatte einen Schaden für Chinas Image zufolge, der die Wirtschaft zeitweilig belastete und auch viele Geschäftsmänner Hong Kongs zur Abwanderung noch vor 1997 veranlaßte. Deshalb ist ein derartiges Vorgehen in Hong Kong, das in den nächsten Jahren im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit steht, nicht zu erwarten.
Zu den erwähnten gesellschaftlichen Veränderungen zählen die typischen Folgen der Urbanisierung. So erlebt Hong Kong einen für die chinesische Kultur ungewöhnlichen Trend zum Individualismus. Die ländlichen Clanstrukturen beginnen sich aufzulösen, und das Statistische Büro der Kolonie konnte für 1996 sogar eine verstärkte Tendenz zum Single-Leben feststellen. Ist Hong Kong unter britischer Herrschaft lange chinesisch geblieben, so scheint das Land heute zu verwestlichen. Und dieser Prozeß wird sich wahrscheinlich auch unter Herrschaft der chinesischen Volksrepublik fortsetzen, denn durch die Abschottung der Sonderwirtschaftszonen zum übrigen China herrschen dort eigene Gesetzmäßigkeiten.
2.2.3. Zukunft des Landschaftsbildes
Die fortschreitende Verstädterung des Gebietes von
Hong Kong wirkt sich natürlich weiterhin auf die Landschaft
aus. Da es in der Sonderverwaltungszone aber schon seit langem
ein gut ausgebautes öffentliches Verkehrssystem gibt, werden die
kommenden Belastungen der Natur nicht so extrem wie in den
anderen chinesischen Zentren Beijing und Shanghai sein. Weil die
Tourismusbranche im postindustriellen Hong Kong an Bedeutung
gewinnt, liegt die Bewahrung der restlichen Naturräume auch im
Interesse der Wirtschaft. Die Umweltbelastungen in diesem auf
Leichtindustrie und Dienstleistung ausgerichteten Land sind
ohnehin verhältnismäßig gering.
Diese Seite wurde von Markus Beier erstellt. Sie wurde das letzte Mal am 17.07.1999 aktualisiert.