2.2.2. Wohnprobleme, Wohnungspolitik und Veränderung der Bevölkerungstruktur 2.3. Kultur 2.3.1. Religion und Philosophie 2.3.2. Sprache 2.3.3. Bildung und finanzielle Verhältnisse
2.2.2. Wohnprobleme, Wohnungspolitik
und Veränderung der Bevölkerungstruktur
Hong Kongs größtes Problem war von jeher seine geringe
Größe. Teilt man die gesamte Landfläche der Kolonie von 1.040
km2 durch die Zahl ihrer Einwohner, ergibt sich für
Ende 1996 ein Durchschnittswert von 5.820 Personen pro
Quadratkilometer. Verglichen mit dem Wert für München von circa
4.000 EW/km2 erscheint dieser Wert nicht sehr
ungewöhnlich für ein modernes Stadtgebiet. Doch muß diese Zahl
relativiert werden, da große Teile des Territoriums sehr bergig
sind und darum auf vielen Flächen keine Bebauung möglich ist.
Außerdem können die über 200 sehr kleinen Inseln nicht zur
relevanten Fläche gezählt werden. Aus diesen Umständen ergibt
sich in den meisten Stadtgebieten Hong Kongs eine
tatsächliche Wohndichte von 15.000 EW/km2. Der
Höchstwert im Staatsgebiet liegt sogar bei 165.000 EW/km2
und stellt damit gleichzeitig den Weltspitzenwert dar.
Um die Wohnungssituation zu verbessern finanziert die Kolonialregierung seit den 60er Jahren ein Bauprogramm bei dem jährlich 50.000 Wohnungen erstellt werden. Erklärtes Ziel der Wohnungspolitik ist es, sämtliche "Squatter"-Siedlungen aus illegal errichteten Hütten zu beseitigen, da diese einstöckigen Unterkünfte viel Fläche verbrauchen und die Seuchengefahr in den Slums groß ist. Ihre Bewohner werden in staatlich subventionierten Hochhäuser umgesiedelt. Erstes Ziel sind die "wilden" Siedlungen im städtischen Bereich, anschließend sollen die Randgebiete folgen. Dieser Prozeß ist bereits weit fortgeschritten. Auch die früher für Hong Kong typischen "schwimmenden Städte" der "Boatpeople" sind zum größten Teil verschwunden, und ganze Dörfer im Norden des Landes wurden zu Großstädten umstrukturiert.
Generell kann eine Bevölkerungsverlagerung von Kowloon in die neuen Städte der New Territories festgestellt werden. Die Bevölkerungszahl von Hong Kong Island bleibt nahezu unverändert, da sich hier hauptsächlich Geschäftsgebäude und große Häuser der Mittel- und Oberschicht befinden.
Mittlerweile leben mit rund 3,1 Millionen Menschen beinahe die Hälfte der Einwohner Hong Kongs in vom Staat errichteten Wohnungen. Doch trotz des erheblichen finanziellen Aufwandes besteht das Wohnungsproblem weiter und neue illegale Siedlungen entstehen. In der Regel kostet das Bauland mehr Geld als für die eigentlichen Baukosten verbraucht wird. Aus Platzmangel wurden bereits Hütten auf den Dächern von Bürohochhäusern gebaut.
Neben dem ständigen Wachstum steht Hong Kong vor einem weiterem Bevölkerungsproblem. Die nahende Übergabe an die VR China beginnt sich auszuwirken. Zwar nimmt die Einwohnerzahl auch weiterhin zu, aber die Zusammensetzung ändert sich. Die finanzstarken, gut ausgebildeten und jungen Teile der Bevölkerung wandern ab. Eine Folge ist das von 1986 bis 1996 um sechs Jahre gestiegene Durschnittsalter. Von offizieller Seite wird diese statistische Veränderung durch höhere Lebenserwartung als Erfolg des Gesundheitssystems erklärt, aber eine entscheidende Ursache ist sicherlich auch, daß vor allem junge und männliche Hong Kong - Chinesen in der Lage sind auszuwandern. Dies würde nämlich auch erklären, warum der vor zehn Jahren noch überproportionale Männeranteil an der Gesamtbevölkerung bis 1996 verschwunden ist.
Staatliche Verordnungen sind nicht die alleinige Ursache des
Trends zum Verschwindens der Hüttensiedlungen. Hier spielt auch
der allmählich steigende Wohlstand der Bevölkerung eine Rolle.
Seit 1986 stieg das Durschnittseinkommen um 269% auf 9.500 $ im
Jahr. Unter Berücksichtigung der Teuerrungsrate entspricht das
einer tatsächlichen Steigerung von 125%. Diese Werte bedeuten
eine positive Tendenz, aber die Gegensätze innerhalb der
Bevölkerung bleiben bestehen - nicht nur finanziell.
2.3.1. Religion und Philosophie
Die Gründe für große kulturelle Unterschiede zwischen
einzelnen Gruppen in Hong Kong liegen in der typisch
britischen Kolonialpolitik und in dem Umstand, daß die Hälfte
der Bewohner im Ausland und die übrigen in den Grenzen der
Kolonie geboren wurden.
Im Unterschied zu den US-Amerikanern verstanden sich die Briten nicht als Missionare der westlichen Kultur. Ähnlich wie in ihrer Kolonie Indien beseitigten sie in Hong Kong nur das, was der Durchsetzung ihrer Herrschaftsinteressen hinderlich war. Alles übrige beließen sie beim alten, so daß dem Kolonialvolk die Fremdherrschaft weniger bewußt wurde. Auf diese Weise konnten Unruhen meist vermieden werden. Aus diesem Grund ist Hong Kong auch noch nach über 150 Jahren als britische Kronkolonie tief in der chinesischen Kultur verwurzelt. Die Bevölkerung gehört überwiegend zu den Anhänger einer Mischform des Buddhismus und des Taoismus, während die Minderheit der Christen häufig westlicher Abstammung ist oder zumindest in Europa und Nordamerika studiert hat. Stark verbreitet ist auch der Glauben an "Feng-Shui". Es handelt es sich dabei um eine Art der Naturreligion, die den Glauben an Kräfteströme, Geister und Drachen beinhaltet. Als Gelehrte über diese Kräfte haben "Feng-Shui-men" einen Starken Einfluß auf die Bauweise in Hong Kong. Sie sind nach dem Glauben ihrer Anhänger dazu in der Lage, den Bauplatz und die Anlage der Fenster, Eingänge usw. so zu bestimmen, daß die örtlichen Drachen nicht verärgert und Kräfteströme in günstige Richtungen gelenkt werden. Das 1894 von dem für die Kolonien zuständigen Lord Rippon gefällte Urteil, daß Hong Kong unter britischer Regierung chinesisch geworden sei, wird durch die besondere Bauweise der Bank of China bestätigt. Die Kanten dieses Gebäudes weisen genau in Richtung des Gouverneurspalastes und leiten dadurch, nach Feng-Shui, negative Kräfte dorthin. Weil der Gouverneur später für längere Zeit erkrankte, wurden am Palast Spiegel angebracht, um diese abzuwehren. Das bemerkenswerte an der Sache ist, daß sich die Bank of China im Besitz der Volksrepublik befindet. Deshalb darf der Leiter der Bank, genau wie der Gouverneur, offiziell nicht an Feng-Shui glauben. Diese Begebenheit ist ein Beispiel dafür, daß die chinesische Tradition und nicht der Einfluß Britanniens den Alltag in Hong Kong bestimmen.
Neben dem Bereich der Religion ist das chinesische Element auch
sprachlich klar an erster Stelle. Nur 3% der Einwohner
Hong Kongs sprechen zu Hause englisch, 32% gebrauchen es als
Geschäftssprache. Der Rest spricht ausschließlich asiatische
Sprachen und Dialekte. Hier ist Kantonesisch vorherrschend, das
für 89% der Einwohner die gängige Sprache zu Hause ist. Obwohl
während der vielen Krisen Chinas Flüchtlinge aus allen Teilen
dieses Landes nach Hong Kong kamen, beherrscht kaum jemand
die Hochsprache Mandarin, die in der Kolonie lange Zeit verpönt
war. Auch in der Schriftsprache gibt es Unterschiede zur
Volksrepublik. Während dort in einer Reform Kurzzeichen
eingeführt wurden, um das Schrifttum schneller verbreiten zu
können, gibt es in Hong Kong weiterhin die alten
Langzeichen. Wegen des baldigen Anschlusses an China und wegen
der ausgedehnten Geschäftsbeziehungen wird heute das Mandarin in
Firmen- und Schulprogrammen gefördert. Die neuen Schriftzeichen
werden wohl nicht erlernt werden müssen, denn in der
angrenzenden Sonderwirtschaftszone Shenzen haben sich die alten
Langzeichen wieder eingebürgert.
2.3.3. Bildung und finanzielle Verhältnisse
Während die südchinesische Lebensweise also durch Religion und
Sprache das Privatleben beherrscht, dominiert die britische
Kultur Geschäftsleben und höhere Bildung. Englisch ist die
Muttersprache der wichtigen pazifischen Handelspartner USA,
Kanada, Australien und Neuseeland. Außerdem ist sie die
Unterrichtssprache der weiterführenden Schulen.
Neben den Gegensätzen von westlicher und asiatischer Kultur gibt es in Hong Kong auch bedeutende wirtschaftliche Differenzen. Das stark gestiegene Durchschnittseinkommen, die hohe Lebenserwartung und gerade die mit heute unter zwei Prozent liegende Arbeitslosenrate könnten einen allgemeinen Wohlstand vermuten lassen, aber die finanziellen Unterschiede sind groß. Von dem Gesamteinkommen der Bewohner Hong Kongs entfällt 30% auf ein Zehntel der Bevölkerung, während vier Zehntel lediglich einen Anteil von 14% erreichen. Im internationalen Vergleich steht zum Beispiel Taiwan wesentlich besser da.
Einkommensverteilung in ausgewählten Staaten Südostasiens (1989) in Prozent
vom Gesamteinkommen entfallen auf: | ||
Staat | meistverdienende 10% der EW | geringstverdienende 40% der EW |
Hong Kong | 30 | 14 |
Philippinen | 37 | 14 |
Malaysia | 36 | 19 |
Indonesien | 38 | 18 |
Sri Lanka | 35 | 16 |
Thailand | 34 | 15 |
Taiwan | 27 | 21 |
Daß das Einkommen der Wirtschaftsführer in Hong Kong allerdings um einiges höher liegt als in Taiwan, muß bei der Interpretation der Tabelle jedoch berücksichtigt werden.
Die meisten Einwohner Hong Kongs sind gut mit technischen Konsumgütern versorgt, doch sinkt die Lebensqualität der Durchschnittsbevölkerung sehr durch die hohen Preise des Wohnraums. In den vom Staat gebauten Wohnungen, in denen etwa die Hälfte der Bevölkerung lebt, stehen pro Person nur 4m2 zur Verfügung. Die traditionell starke Bindung zur Familie und der wenig ausgeprägte Individualismus lassen den Hong Kong - Chinesen diese beengten Verhältnisse aber weniger problematisch erscheinen, als sie auf Europäer wirken.
Die Lebenssituation der illegal in der Kolonie lebenden Flüchtlinge ist wesentlich schlechter. Entweder leben sie in versteckten Unterkünften oder sie sind in sehr einfachen staatlichen Camps unter Verwahrung. Auslöser einer Revolte im Mai 1996 in einem Lager für Vietnamesen war unter anderem die schlechte Unterbringung.
Ein deutliches Indiz für die Differenz zwischen arm und reich auch innerhalb der Gruppe der Chinesen ist der Bildungsstand. Zwar ist der Anteil an qualifizierten Berufen groß und nimmt die Zahl der weiterführenden Schulabschlüsse zu, doch ist die Analphabetenrate mit 13% in einem Land mit hohem technologischem Standard hoch. Gerade weil im Konfuzianismus der Bildung ein hoher Wert beigemessen wird, ist diese Quote ein Anzeichen dafür, daß vielen Bewohnern Hong Kongs die Zeit und das Geld für schulische Ausbildung fehlt. Dies scheint insbesondere bei den Frauen der Fall zu sein. Bei ihnen ist der Anteil von Analphabeten mit 36% besonders groß.
Die in Hong Kong stark ausgeprägte Kriminalität hat ihre Ursachen jedoch nicht in einem zu geringen Einkommen seiner Bürger. Es ist auch heute noch um ein vielfaches größer als in der angrenzenden Sonderwirtschaftszone Shenzen. Der weit verbreitete Schmuggel und der ausgeweitete Konsum von Rauschgift hat seine Ursprünge in der geographischen Grenzlage und in dem historisch bedingten Einfluß der Triaden.
Diese Seite wurde von Markus Beier erstellt. Sie wurde das letzte Mal am 17.07.1999 aktualisiert.